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Das Interview mit Dayflight (Dieter Herten) führte Harald Gramberg am 21.09.2023


Harald Gramberg: Heute haben wir in unserer Interview-Ecke einen deutschen Elektronikmusiker zu Gast, den ich beim diesjährigen Schallwende Grillfest im Grugapark Essen kennengelernt habe, wo er den zahlreichen Besuchern einen grandiosen Auftritt geliefert hat. Sein Name ist Dieter Herten, und seine Musik ist unter seinem Projektnamen „Dayflight“ zu finden.

Dieter, vielleicht möchtest Du unseren Lesern erst einmal eine kurze Vorstellungsrunde geben, woher Du kommst, wie alt Du bist und was Du sonst noch so außer Musik machst…

Dieter Herten: Wo soll ich anfangen? Ich wurde in Krefeld 1956 geboren und bin dort wohlbehütet aufgewachsen. Meine Eltern wollten, dass ich wie sie Mediziner werde, doch mich hat die Physik mehr interessiert. Als Diplom Physiker habe ich aber nie gearbeitet, sondern war dem Vertrieb und der internationalen Beratung zugetan. Mit 35 Jahren habe ich mich im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung in der pharmazeutischen Produktion und Analytik selbständig gemacht, was ich nie bereut habe. Verheiratet bin ich in zweiter Ehe und habe zwei erwachsene Kinder, die inzwischen ihren eigenen Weg gehen. Seit 1993 leben wir wieder in Krefeld.

Harald Gramberg: Wie bzw. durch wen bist Du auf die elektronische Musik aufmerksam geworden, was waren Deine ersten Gehversuche und wie sind sie verlaufen? Mit „Gehversuche“ meine ich, welche Apparaturen standen Dir damals in der Anfangszeit zur Verfügung?

Dieter Herten: Mit ca. 13/14 Jahren bin ich erstmals mit der elektronischen Musik und den Anfängen von Tangerine Dream, Klaus Schulze und Ash Ra Tempel in Kontakt gekommen und war sofort angefixt. Für 3.500 DM habe ich im Synthesizer-Studio Bonn einen monophonen Roland Synth erstanden. Mit einem Freund, der einen ARP-Odyssee und eine 4-Band Fostex Maschine besaß, haben wir dann versucht, das nachzumachen. Außer gruseligem Quietschen und wie rosa Rauschen haben wir wenig rausbekommen. Das war erstmal das Ende der Musiker-Karriere.

In Frankfurt/M habe ich in den 90ern bei Musik Schmidt einen Korg M1 erworben, dann kam Emagic und… eine neue Welt tat sich auf.

Harald Gramberg: Natürlich hat sich Dein „Gerätepark“ kontinuierlich erweitert bzw. verändert. Welche Instrumente hast Du im Laufe der Zeit erworben?

Dieter Herten: Mein Gerätepark hat sich in all den Jahren stetig verändert. Geräte, zu denen ich keine Beziehung aufbauen konnte, wurden verkauft (z.B. Yamaha FSR 1), andere habe ich lange benutzt (z.B. Waldorf Microwave 1, einige Korg-Geräte...) und dann verkauft. Ich bin kein Sammler des Sammelns Willen, sondern ich schaue, was mir nützt.
Da ich kein virtuoser Pianist bin, interessieren mich weniger Keyboard-Burgen, sondern ich mag Groove-Boxen, Sampler und Ableton Live mit Push 2. Für meine Stücke sample ich viel in Ableton Live rein und verwende das in Kombination mit erworbenen Sample-Libraries (z.B. Riemann Kollektion).

Neben Ableton Live nutze ich als Hardware: Octatrack 2, Virus TI, Alpha Base, Wavestate, ERIKA Bassline, Moog Mother 32, DFAM und Roland Bass Line TB-03. Als Mischpult fungiert ein Zoom L-12 Livetrack und als Monitorboxen verwende ich ADAM Audio.
Das Gerät, was für mich in den letzten 10 Jahren das „Ei des Columbus“ war, ist der Octatrack MK2. Hiermit konnte ich DAW unabhängig komplette Performances erstellen und performen (z.B. Garden-House-Techno https://soundcloud.com/dherten/garden-house-techno).

Leider hat Elektron es bis heute nicht geschafft, eine aktuelle Version 2 auf den Markt zu bringen.

Harald Gramberg: Du hattest eingangs die Namen Tangerine Dream, Klaus Schulze und Ash Ra Tempel erwähnt, was vermuten lässt, dass es bei Dir mit der klassischen Berliner Schule begann. Aber wie man beim Hören Deiner Musik merkt, haben sich im Laufe der Zeit auch andere - ich nenne es mal „modernere“ - Subgenre-Einflüsse breit gemacht. Somit bist Du in das viel offenere und breit gefächerte Feld der elektronischen Musik eingestiegen, und ich frage Dich einfach mal: Wo würdest Du Dich heute wiederfinden? Oder besser gesagt: Wie und durch welche Subgenre-Einflüsse geprägt, würdest Du Deinen heutigen, unverkennbaren Musikstil bezeichnen? Und wo waren Deine ersten Live-Auftritte?  

Dieter Herten: Berliner Schule war im vergangenen Jahrhundert revolutionär und ist ein Stil, der bis heute gepflegt wird. Das schaffen nur wenige. Aber nach meinem heutigen Empfinden wiederholt sich allerdings zu viel oder klingt oft ähnlich. Das Original war schon immer besser als die Kopie. Die letzten TD-Sachen klingen sehr glattpoliert, tun nicht weh, bleiben also nicht in Erinnerung.

Danach kamen die Ambient und experimentelle Phase. Als Tranzmutanz haben Thomas Herrmann und Hajo Liese mit mir einen Auftritt in der Zeche Zollverein (https://www.youtube.com/watch?v=bw9e33bKwHY) was Irres gemacht. Dann kam der Ambientcircle, mit dem wir diverse Auftritte im Unperfekthaus Essen, im Gasometer und im Kernwasserwunderland hatten.

Nach TD hat mich Techno-/Deep House/Dub/Elektro stark beeinflusst, weil diese Stile sehr offen für unterschiedliche Einflüsse sind. Auf 4-on-the-Flour kannst Du vieles drauf kombinieren, der Rhythmus funktioniert immer.

Unterm Strich mache ich Musik, die mir gefällt, und wenn es anderen gefällt, freut es mich.

Harald Gramberg: Da Du unsere Leser durch deine ausführlichen Worte bestimmt recht neugierig gemacht hast, möchten diese bestimmt jetzt wissen, wo sie sich Deine Musik anhören und bei Gefallen auch downloaden können…

Dieter Herten: Ich bin bei Bandcamp, YouTube und Soundcloud vertreten.

Herunterladen geht über Bandcamp z.B.
https://dayflight.bandcamp.com/track/drive-through-the-acid-land  
https://dayflight.bandcamp.com/track/nightriders

Bei YouTube findet Ihr mich unter DKE H-Wave:
https://www.youtube.com/watch?v=-dIQQwzc6kY     
https://www.youtube.com/watch?v=7ldJfHkmVmE   
https://www.youtube.com/watch?v=CPqEwwCPPZg

Meinen Stil bezeichne ich als „Electro“. 

Harald Gramberg: Man sagt, dass die CD ein vom Aussterben bedrohtes Medium sei, da heute z.B. über Bandcamp vieles zum Download angeboten wird. Aber trotzdem möchte ich Dich fragen: Hattest Du schon mal daran gedacht, Werke von Dir auch auf physischem Tonträger zu veröffentlichen?

Dieter Herten: Mit Geburt meines Sohnes (Frühgeburt 6ter Monat) habe ich einmalig zu seiner Unterstützung eine CD „Come and See“ mit einer Auflage von 500 Stück produziert. Ca. 450 Exemplare lagern immer noch in meinem Keller.

Harald Gramberg: Bei den Underground-ÄxpÄrten im Radio Sunrise wurde Deine Musik bereits gespielt und hat auch guten Anklang bei den Hörern gefunden. Wie denkst Du generell über das Medium Internetradio, um mehr Menschen auf Dein musikalisches Schaffen aufmerksam zu machen?

Dieter Herten: Bei dem Internet Radio Underground-ÄxpÄrten im Radio Sunrise war ich erstmalig. Und ich fand es wirklich gut, dass ihr meine Musik so zeitnah nach dem Auftritt im Grugapark gesendet habt.

Internet-Radio ist eine großartige Sache und natürlich wichtig zur Verbreitung nicht kommerzialisierter Musik.

Harald Gramberg: Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Wird es in absehbarer Zeit weitere Veröffentlichungen und auch Live-Auftritte von Dir geben?

Dieter Herten: Aktuell habe ich einen 1-stündigen Kunstfilm vertont, der im Oktober in Hamburg im Abaton Kino uraufgeführt wird und im Frühjahr 2024 mit Unterstützung der Stadtwerke Krefeld wahrscheinlich in der Mediathek Krefeld gezeigt wird.

Nach dem Auftritt im Grugapark habe ich in Tübingen ein Live-Konzert gegeben.
Gerne nehme ich weitere Anfragen für Live-Auftritte an, meldet Euch einfach via d.herten@t-online.de.

Musik „My Style“ komponiere ich mit Leidenschaft.

Harald Gramberg: Ich bedanke mich ganz herzlich für diese interessante und aufschlussreiche Gesprächsrunde. Wie an dieser Stelle üblich, mögen die letzten Worte Dir gehören. Gibt es noch etwas, was Du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Dieter Herten: Gerne: Musik ist einer der wirkungsvollsten Ausdrucksformen der Kunst. Kopiert nicht, sondern generiert etwas anderes!